Dalmatien
 2007

Pizza, Pommes Paparazzi

...von den ersten beiden Zutaten gibt es hier wirklich reichlich, so reichlich, dass von den etwa 14 Speiselokalen im Ort fast alle von diesen fettigen Köstlichkeiten abhängig sind, Fisch ist teuer, das Mittelmeer ist überfischt und die hiesige Klientel isst ohnehin lieber Fleisch mit Pommes oder Pizza mit Schinken und Wurst.

Paparazzi gibt es hier gar nicht, zumindest nicht auf dem Festland, weil sich die wenigen richtigen Promis auf ihren schicken Jachten weit draußen rar machen.

Aber die Alliteration war so hübsch, dass sie unbedingt als Titel herhalten musste.

 

Im Übrigen tummeln sich hier Tausende angebrutzelter Touristen auf engstem Raume, besser gesagt auf einem schmalen Streifen Küste zwischen eindrucksvollen Bergen und glasklarer Adria, Touristen,  die ihre Gummitiere vorwiegend aus Tschechien, Russland, Bosnien oder aus anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens mitgebracht haben. Natürlich schwimmen hier auch deutsche Luftmatratzen, die allerdings oftmals ihren Weg hierher über einen jugoslawischen Ehepartner, der in Deutschland bei Mercedes arbeitet ,dort seine deutsche Frau geheiratet hat und seine Kollegen samt Matratzen  auch noch mitbringt, gemacht haben.

 

Kroatien hat fast zwei Jahrzehnten nach Tito und 12 Jahre nach Kriegsende in Sachen Tourismus neu aufgerüstet. Neben den alten, postsozialistischen Hotelblöcken entstehen unzählige kleiner und kleinster Ferienwohnungen und –zimmer : spartanisch eingerichtete Bienenwaben mit Bett, Bad und Balkon für den mäßig alkoholgeschwängerten Abend mit Mutter, Vatter, Oma, Opa, Kind und Kegel.  In der Regel fliegen hier nämlich kinderreiche Familien aus und ein.

 

...Und dann findest du dich wieder auf besagtem schmalen Steinstrand, das Wasser zeigt sich von der schönsten, klarsten und wärmsten Seite und hinter dir der Papierkorb, links neben dir mit einem 30cm-Durchgangs-Abstand eine dicke Familie aus den Bergen, rechts eine Ansammlung von aufblasbaren Teilen mit einer bosnischen Jugendgruppe darunter und genau vor die streichelt eine herbe einheimische Schönheit deine Füße mit den aufgeblätterten Seiten ihrer Illustrierten. Alle finden Platz und eng liegen ist, wie auch eng wohnen und leben, schön  und jeder kann sich unter der brühenden Sonne in jede Richtung umdrehen, ohne den Nachbarn zu stören. Erstaunlich, trotzdem ist es ziemlich ruhig hier im überfüllten Geröll der Küste, keine lauten Streitereien, keine Anpöbeleien, jedes Gummitier findet hier sein erholsames Plätzchen und sauber ist es hier auch noch.

 

 

 

 

 

 

 

Das sind sie also: die ersehnten Wochen des Jahres, die Sehnsucht nach Leben pur und hier besonders die Sehnsucht nach dichter Gemeinsamkeit. Die Mädchen und jungen Frauen sind erstaunlich schön, schlank und braun , zeigen sich gerne und rösten ihr Kapital unter den Blicken kräftiger, bullig gebauter Kurzhaarfrisuren.

Das ist dann auch schon alles in Sachen Fun und Lifestyle: keine Diskos, keine dröhnenden Bässe am Strand oder in den kleinen Cafes. Lediglich ein kleiner Henna-Tattoo-Laden erzählt etwas von  junger Pop-Kultur.

Das ist familienfreundlich, auch weil die Eltern mit dabei sind, die Oma in ihrem xxl-Bikini und natürlich auch die kleinen Geschwister, alle machen mit, alle sind dabei, so ein bisschen wie früher, ganz viel früher, weit vor dem Krieg und noch zu Tito`s Zeiten.

Vom Sozialismus jugoslawischer Prägung ist so einiges über geblieben, so z.B. die strenge Hotelmanagerin, mit Bürstenschnitt und Trillerpfeife , etliche Betonruinen und natürlich die Disziplin im Alltag.

Übrig geblieben ist auch so etwas wie Humorlosigkeit, so etwas wie eine eigentümliche Lethargie, die wie ein graues Laken über dem ganzen Land liegt.

Ob das an Tito oder der anschließenden Kapitalisierung oder an den Kriegserlebnissen liegt, sei dahingestellt, in jedem Fall spielt hier die Geschichte leise mit.

 

Und so rollen auch weiterhin die Karawanen entlang der Uferstrasse zwischen Dubrovnik und Split, um in den Sommermonaten die Wirtschaft anzukurbeln, die Preise sind europäisch angeglichen,  die Musik ohnehin und die Menschen irgendwie auch.

 

Nur die Gummitiere sind hier besonders unförmig, großflächig und mitunter auch als Floß nutzbar, um die 8 km zur nächstgelegenen Insel zu überqueren.

Dort kann man dann eventuell wirklich den einen oder anderen Paparazzi entdecken, der auf der Suche nach Glück und Motiven seinen Nescafe schlürft. Dort ist ohnehin alles anders, alles etwas teurer, weniger eng und mit Jachten gut bestückt. Hier finden sich dann auch die Italiener, die Engländer und die übrig gebliebenen Deutschen, die in den ehemaligen Obrigkeits-Paradiesen der Tito-Ära flanieren und ihre Bruchettas mit frischen Scampis garnieren.

 

Wir bleiben bei Pizza und Pommes und freuen uns auf den Abflug.